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17.08.2008 08:56
Einkommensabstand - Frauen in der Gehaltslücke Zitat · Antworten

Von Henrike Roßbach

Am 15. April war die Handtasche mehr als nur ein Accessoire, zumindest, wenn es sich um eine rote handelte. An diesem Tag fand in Deutschland der erste Equal Pay Day statt, der daran erinnern sollte, dass Frauen noch immer weniger verdienen als Männer. Berufstätige Frauen waren aufgerufen, mit einer roten Handtasche in die Mittagspause zu gehen, Passanten anzusprechen, in einigen Städten gab es kleine Kundgebungen, Podiumsdiskussionen, und manche Läden gaben Frauen 22 Prozent auf das Mittagessen, was in etwa der Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen in Deutschland entspricht. Rote Taschen für die roten Zahlen also, die Frauen beim Gehalt schreiben.


Der deutsche Ableger des Netzwerkes Business and Professional Women (BPW) hatte den Equal Pay Day importiert, in den Vereinigten Staaten wird er schon seit 1988 begangen. Im kommenden Jahr, sagt BPW-Präsidentin Bettina Schleicher, soll er auf das Datum gelegt werden, bis zu dem Frauen statistisch gesehen länger arbeiten müssen, um auf das Jahresgehalt eines Mannes zu kommen. Es wird wohl der 20. März sein, sagt die Rechtsanwältin. "Unser Ziel ist es, dass wir den Tag irgendwann zum Jahreswechsel feiern können."

15 Prozent weniger als Männer

Doch danach sieht es nicht aus. Astrid Ziegler, Referentin für Strukturpolitik am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, sagt zwar, dass sich in den vergangenen 40 bis 50 Jahren die Gehaltsschere durchaus etwas geschlossen habe. In jüngster Zeit aber, seit etwa zehn Jahren, stagniere der Einkommensabstand. In der Europäischen Union verdienten Frauen im Jahr 2006 in der Stunde im Schnitt 15 Prozent weniger als Männer. Verändert hat sich diese Zahl kaum. Deutschland liegt mit 22 Prozent am unteren Ende der Rangliste, übertroffen nur noch von Zypern und Estland

Die gläserne Gehaltsdecke trennt Frauen und Männer in so gut wie jedem Beruf. Die aktuellsten Daten des Statistischen Bundesamts stammen vom Oktober 2005, und sie zeichnen ein eindeutiges Bild: In Vollzeit arbeitende Köche verdienen durchschnittlich 3351 Euro im Monat, Köchinnen 2027 Euro. Maschinenbauingenieure kommen auf 5173 Euro, ihre Kolleginnen auf 4297 Euro. Architekten haben am Ende des Monats 4447 Euro, Architektinnen 3311 Euro. Männliche Bankfachleute verdienen 4150 Euro, weibliche 2998 Euro, männliche Verwaltungsfachleute in leitender Position 5520 Euro, weibliche 4011 Euro. So geht das weiter in der langen Berufsliste der Statistiker. Bis auf die Kellnerinnen. Sie verdienen 30 Euro mehr als ihre Männerkollegen.


Befremdlicher Befund


Vor dem Hintergrund, dass mehr Mädchen als Jungen Abitur machen und Frauen im Studium oft bessere Noten haben, ist dieser Befund befremdlich. Einen Grund sieht Astrid Ziegler vom WSI darin, dass in den Arbeitsplatzbewertungen von Unternehmen Mechanismen lauern, die Frauen benachteiligen. So fehlten in Tätigkeitsbeschreibungen für typische Frauenberufe häufig Punkte, die in denen für Männerjobs auftauchten - und bares Geld wert sind. Wenn von Lagerarbeitern Teamfähigkeit und Verantwortung verlangt wird, von der Schreibkraft aber nicht, ist das so ein Fall.


BPW-Chefin Bettina Schleicher sieht drei Gründe für die Gehaltslücke: Erstens arbeiteten Frauen häufig in Branchen, in denen wenig Geld verdient wird. Dass in diesen Frauendomänen schlechtere Verdienstmöglichkeiten herrschen, ist ihrer Meinung nach wiederum historisch bedingt. Frauen seien früher bloß Hinzuverdienerinnen gewesen, das drückt das Lohnniveau im Frolleinberuf. Diese Strukturen führen zu Skurrilitäten, etwa dazu, dass die Pflege von Menschen (Frauenberuf) schlechter bezahlt wird als die von Tieren (Männerberuf). Die zweite Ursache für das finanzielle Hintertreffen sei, sagt Schleicher, die Vorliebe der Frauen für Teilzeit. Dass sie aber auch in gleicher Position innerhalb einer Firma schlechter verdienen, könne - drittens - daran liegen, dass sie in den obersten Etagen unterrepräsentiert sind und durch längere Familienpausen weniger Berufserfahrung haben.


Darauf stellen auch Christina Anger und Jörg Schmidt vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft ab. Sie haben herausgefunden, dass die Lohndifferenz umso geringer ausfällt, je schneller Frauen nach der Geburt eines Kindes an den Arbeitsplatz zurückkehren. Die Forscher rechnen Faktoren wie Qualifikation, Berufs- oder Branchenwahl aus der Gehaltslücke heraus, wodurch der Abstand schon etwas schrumpft. Noch deutlicher schmilzt er, wenn Frauen Vollzeit arbeiten und die Babypause nicht drei, sondern höchstens ein Jahr dauert.


Unterschied schmilzt, er verschwindet nicht


Aber er schmilzt eben nur, er verschwindet nicht. Wenn alle einleuchtenden Gründe nicht greifen, ist das für Bettina Schleicher ein Fall von Diskriminierung. Welchen Anteil das Ungerechte am Gehaltsunterschied hat, haben Anne Busch und Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) untersucht. Sie verweisen darauf, dass Frauen weniger Stunden in der Woche arbeiten als Männer, dass typische Frauenbranchen Nachteile wie ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse und geringere Verdienste aufwiesen. Hinzu kommt, dass Frauen eher in kleinen, Männer dagegen in großen Unternehmen arbeiten, die mehr Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Ebenfalls ein geldwerter Faktor ist, dass Frauen in Führungspositionen selten gesichtet werden. Insgesamt können den Autorinnen zufolge die Faktoren Ausbildung, Erfahrung und firmenspezifisches Humankapital sowie Arbeitszeit einen Teil der Verdienstdifferenzen erklären, allerdings beruht nur ein gutes Drittel der Gehaltslücke auf beobachtbaren, individuellen und beruflichen Charakteristika. Die Forscherinnen vermuten, dass für den Rest institutionelle und kulturelle Rahmenbedingungen verantwortlich sind, die sich in diskriminierenden Mechanismen auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen.


Cornelia Topf sieht all das auch. Doch ihre Devise lautet, Frauen sollten sich lieber selbst aus dem Sumpf ziehen, als bloß zu jammern (Frauen in der Karrierefalle). Die Autorin des Buches "Gehaltsverhandlungen für freche Frauen" übt mit ihren Kundinnen, wie diese dem Chef mehr Geld abverlangen können und wie sie reagieren sollen, wenn ihrem Wunsch nicht sofort entsprochen wird. "Frauen denken häufig, ihnen wird die Gehaltserhöhung auf dem Silbertablett serviert, ähnlich wie der Prinz, der auf dem weißen Pferd vorbeikommen soll."


Cornelia Topf setzt lieber auf Training und Tricks; zum Beispiel auf den, einfach 10 bis 20 Prozent draufzuschlagen, wenn ein potentieller Arbeitgeber wissen will, wie viel die Kandidatin derzeit verdient. "Männer", sagt sie, "sind mutiger, frecher, unbefangener. Und sie messen ihren Erfolg an der Höhe ihres Gehalts." Für Frauen hingegen stehe der Spaß häufig im Vordergrund. Das ist zwar nett, kaufen kann man sich davon aber nichts. Cornelia Topf rät Frauen, ein Erfolgstagebuch zu führen. "Es geht darum, besser und härter zu verhandeln." Wenn der Chef sage, "das enttäuscht mich aber, dass Sie ausgerechnet in diesen schwierigen Zeiten mit so was zu mir kommen", knickten Frauen häufig ein. Empathie aber sei in Gehaltsverhandlungen unpraktisch. "Männer sagen in so einer Situation: ,Was interessiert mich die Konjunktur? Ich will mehr Geld.'"

Text: F.A.Z.

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