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MUMIE ( gelöscht )
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17.08.2008 08:50
Afghanistan - In der Opium-Hölle Zitat · Antworten

Präsident Hamid Karsai und seine Regierung sind in die milliardenschweren Geschäfte der Drogenbarone verstrickt. Das Pentagon behindert die eigenen Anti-Drogen-Behörden. Das sagt der hohe US-Beamte Thomas Schweich. Er kämpfte an allen Fronten gegen die Opium-Produktion. Bericht eines Insiders.

Hamid Karsai traf ich zum ersten Mal am 21. März 2006, einem klaren und kalten Tag in Kabul. Der afghanische Präsident, George Bush nebst Ehefrau sowie Außenministerin Condoleezza Rice und der Botschafter Ronald Neumann eröffneten die neue US-Botschaft. Karsai dankte dem amerikanischen Volk für die Unterstützung Afghanistans.

Ich arbeitete für die Anti-Drogen-Behörde und war gerade in einem Land eingetroffen, das 90 Prozent des Weltbedarfs an Heroin deckte. Karsais vehemente Rede gegen den afghanischen Drogenhandel nahm ich sehr ernst. Das war mein erster Fehler.

In den folgenden zwei Jahren sollte ich herausfinden, wie tief die afghanische Regierung in den Opiumhandel verstrickt ist - indem sie ihn vor amerikanischen Anti-Drogen-Maßnahmen schützt. Es stimmt zwar, dass Karsais Gegner, die Taliban, sich durch den Drogenhandel finanzieren, doch machen das viele seiner Unterstützer ebenfalls. Gleichzeitig haben sich einige unserer Nato-Verbündeten gegen die Anti-Opium-Offensive ausgesprochen, genauso wie das Verteidigungsministerium der USA, das den Kampf gegen den Drogenhandel gern anderen überlassen würde, sobald der eigentliche Krieg beendet ist.

Allerdings wird der Krieg kaum ein Ende haben, so lange sich die Taliban durch Drogen finanzieren können - und so lange die Regierung in Kabul auf den Opiumhandel angewiesen ist, um an der Macht zu bleiben.

Der Umfang des Problems war mir spätestens seit Dezember 2005 bewusst. Damals erfuhren wir, dass afghanische Bauern allein in den zwei zurückliegenden Monaten 60 Prozent mehr Mohn angebaut hatten als im ganzen Jahr davor. Die Ernte im Jahr 2006 würde die größte der Drogengeschichte werden.

Vier Monate später war ich zu Gast im Weißen Haus. Ich traf Vizepräsident Cheney, Außenministerin Rice und Verteidigungsminister Rumsfeld. Ich schlug unter anderem die Vernichtung der Mohnfelder vor, konsequente Unterbindung von Drogenlieferungen, härtere Strafen für Schmuggler sowie entsprechende Veränderungen im afghanischen Rechtssystem.

Ich betonte bei diesem und auch bei späteren Treffen immer wieder, dass die Vernichtung der Felder nicht einmal ein Drittel des den Afghanen zur Verfügung gestellten 500-Millionen-Dollar-Budgets für Drogenbekämpfung beanspruchen würde. Dennoch sorgte dieser Vorschlag für Kontroversen. In Guatemala, Südostasien und Pakistan hatte sich die simple Methode, Pestizide mit Sprühflugzeugen zu verteilen, bewährt. Aber Präsident Karsai lehnte das für Afghanistan immer wieder ab. Er fürchtete, die Menschen könnten glauben, sie selbst würden aus der Luft vergiftet werden. Und das wiederum könnte ihn Macht und Einfluss kosten.

Meine Kollegen und ich waren verblüfft über diese Argumentation. In vielen Ländern wird die von uns vorgeschlagene Chemikalie Gyphosat eingesetzt. In den gesamten USA benutzen es Farmer gegen Unkraut, in ganz Europa, und afghanische Drogenbarone besprühen damit ihre Gärten.

Also verlieh ich meinen Forderungen stets Nachdruck - auch im Weißen Haus. Rumsfeld stand damals, Anfang 2006, allgemein in der Kritik. Als er meine Vorschläge abzuwehren begann, brachte Außenministerin Rice ihn kurzerhand zum Schweigen. Ihre Reaktion wertete ich als gutes Zeichen. Das Treffen im Weißen Haus schien sich gelohnt zu haben, zumal mir mehrere Mitarbeiter bestätigten, dass auch Präsident Bush ein "großer Befürworter von Drogenvernichtung aus der Luft" sei. Vizepräsident Cheney sagte nur einen Satz zu mir: "Sie haben einen schweren Job."

Der Job sah so aus: Die Anti-Drogen-Behörde (D.E.A.) arbeitete im Kampf gegen den Heroinhandel mit Afghanistan zusammen. Drogenbarone und Schmugglerringe wurden ins Fadenkreuz genommen. Hervorragende Beamte waren im Einsatz, doch waren es nicht genug. Und sie erhielten nicht die Kampfhubschrauber und andere Ausrüstungsgegenstände, die Rumsfelds Pentagon zur Ausbildung der Anti-Drogen-Polizei in Afghanistan versprochen hatte.

Zudem war das Pentagon von einer Vereinbarung zurückgetreten, die der D.E.A. die Rampenbenutzung am Flughafen von Kabul zugesichert hatte. So kamen Drogenlieferungen weiter ungehindert durch. Weniger als ein Prozent des in Afghanistan produzierten Opiums konnte dort beschlagnahmt werden. Noch schwieriger wurden die Bedingungen, als Benjamin Freakley, der in der Region zuständige General, alle Operationen der D.E.A. und der afghanischen Anti-Drogen-Polizei in Nangarhar - einem der Knotenpunkte des Heroinhandels - einstellen ließ. Der General fand, dass die Anti-Drogen-Operationen seine Militäraktionen unnötig behinderten.

Das Justizministerium hatte gerade erst eine Anti-Drogen-Einheit eingerichtet, und die Ressourcen zur Strafverfolgung waren zunächst begrenzt. Die Gerichtsbarkeit Afghanistans war aufgeteilt zwischen den Stämmen, religiösen Führern und unterbezahlten, leicht bestechlichen Richtern.In dem seltenen Fall, dass einmal ein Drogenhändler verurteilt wurde, ging er meist vorne ins Gefängnis hinein, bezahlte das Bestechungsgeld und verschwand durch den Hinterausgang. Wir wissen von Dutzenden solcher Fälle.

Ein weiteres Problem war die afghanische Nationalpolizei. Das Pentagon ließ wiederholt verlauten, dass die afghanische Nationalarmee (die vom Pentagon ausgebildet wurde) hervorragend arbeite, während die Polizei (die hauptsächlich vom Außenministerium und der Deutschen Bundeswehr ausgebildet wurde) es nicht tue.

Ein angesehener US-General in Afghanistan vertraute mir jedoch an, dass die Armee ebenfalls Probleme habe und das Programm zur Ausbildung der Armee schlecht durchdacht und unterfinanziert sei. In der Folge hat man Polizeikräfte bei Militäreinsätzen einspringen lassen, wo sie wegen mangelnder Ausbildung bei gefährlichen Aktionen ihr Leben gelassen haben.

Die amerikanischen Behörden und die Regierung Afghanistans hatten keine abgestimmte Vorgehensweise ausgearbeitet. Als ich hochgestellte Beamte beim Außenministerium nach der Anti-Drogen-Strategie für Afghanistan fragte, zeigte man mir dieselben Dokumente, die ich Monate zuvor dem Kabinett in Washington vorgelegt hatte. "Es gibt keine festgeschriebene Strategie", gaben sie zu.

Doch es gab noch mehr Schwierigkeiten. Wir hatten eine Menge Hinweise, dass hohe Beamte der afghanischen Regierung in den Rauschgifthandel verstrickt waren. Hunderte von Polizeichefs, Richtern und Beamten ließen sich von Drogenhändlern bestechen. Die Rauschgiftkorruption ging bis in die Spitzen der afghanischen Regierung.

Der Generalstaatsanwalt Abdul Jabbar Sabit, ein ehrgeiziger Paschtune, der seinen eigenen "Dschihad gegen Korruption" anführte, erzählte mir und anderen US-Beamten, dass er eine Liste habe mit mehr als 20 korrupten afghanischen Regierungsbeamten, einige davon verwickelt in den Drogenhandel. Er fügte hinzu, dass Präsident Karsai, auch ein Paschtune, ihm nahegelegt habe, er möge aus politischen Gründen keinen dieser Beamten strafrechtlich verfolgen.

Am 16. Juli 2008 enthob Karsai Sabit des Amtes, nachdem dieser angekündigt hatte, er wolle für die Präsidentschaft kandidieren. Karsais Sprecher erklärte, dass die Kandidatur Sabits gegen Gesetze verstoße, die es Beamten untersagten, sich politisch zu engagieren. Sabit sagte auf einer Pressekonferenz, dass Karsai "Widersacher einfach nicht toleriert".

Ein weiteres Problem im Jahre 2006 bestand in der Unentschlossenheit der internationalen Gemeinschaft. Obwohl England die Anti-Drogen-Kampagne vehement unterstützte, verhielt sich das britische Militär noch unkooperativer als das amerikanische. Angehörige britischer Streitkräfte in der südafghanischen Provinz Helmand informierten sogar auf Flugblättern und im Radio die örtlichen Drogenhändler, dass das britische Militär nicht an der Anti-Drogen-Kampagne beteiligt sei. Ich bin selbst nach Brüssel geflogen, um dort dem Oberbefehlshaber der Alliierten, der im Auftrag der Nato die Operationen in Afghanistan beaufsichtigt, eines dieser Flugblätter vorzulegen, damit diese kontraproduktive Aktion eingestellt wurde. Es war nur ein kleiner Sieg. In Wahrheit nahmen viele unserer Verbündeten in der Isaf (International Security Assistance Force) zu den Anti-Drogen-Operationen eine lauwarme Haltung ein, und die meisten sprachen sich offen gegen Lufteinsätze aus.

Trotzdem gab es im Jahre 2006 und Anfang 2007 auch positive Entwicklungen (obwohl die Pentagon- Lieferung der Kampfhubschrauber noch bis Anfang 2008 auf sich warten ließ). Die D.E.A. hatte mit der Ausbildung von afghanischen Spezialeinheiten begonnen und das Pentagon bereitete afghanische Piloten auf Anti-Drogen-Einsätze vor. Wir führten effektive Aufklärungskampagnen in den gemäßigteren nördlichen Regionen durch.

Wir vernichteten etwa zehn Prozent der Schlafmohnernte vom Boden aus. In einigen Provinzen mit geringerer Gegenwehr konnten bis zu 20 Prozent vernichtet werden – die Marke, die Experten zufolge erreicht werden muss, um eine vollständige Ausmerzung zu gewährleisten. Aus diesen Gebieten war der Schlafmohnanbau bis zum Jahre 2007 fast verschwunden. Das Justizministerium setzte ein Anti-Drogen-Tribunal ein, um Hunderte von mittelschweren Fällen zu verhandeln.

Ende 2006 mussten wir jedoch feststellen, dass ungeachtet unserer Erfolge der Schlafmohnanbau im Jahre 2007 um etwa 17 Prozent zunehmen würde, und zwar vor allem im Süden des Landes, wo es die meisten Aufständischen gab und die Bauern den größten Wohlstand genossen. Die ärmeren Bauern des Nordens, des Ostens und aus dem Zentrum nutzten die Vorteile des Anti-Drogen-Programms und viele gaben den Schlafmohnanbau auf. Im Süden war die gegenteilige Entwicklung zu verzeichnen, und hier wurden Aufrührer von den Taliban und ihrem Drogengeld finanziert.

UN-Berichte aus dem Jahr 2007 straften das Bild vom bettelarmen Bauern, der Schlafmohn anbaut, weil er ansonsten verhungern würde, Lügen. Aus den Berichten geht hervor, dass etwa 80 Prozent der Felder erst in den vorangegangenen zwei Jahren angelegt worden waren. Es geht hier also nicht um "Tradition" und auch nicht um eine dringend benötigte Einkommensquelle, denn viele der Bauern hatten ihre Gemüse-, Baumwoll- und Weizenfelder aufgegeben, um etwas viel Ertragreicheres anzubauen: Opium.

Gleichzeitig veröffentlichte die US-Regierung Aufnahmen von gigantischen Schlafmohnfeldern – viele davon Eigentum opportunistischer Regierungs-Befürworter, andere betrieben von Taliban-Sympathisanten. Die meisten dieser Felder befanden sich in der Nähe großer Städte. Die Bauern gruben Brunnen aus, prüften den Boden auf die Tauglichkeit für Schlafmohn, leiteten US-amerikanische Bewässerungskanäle um und initiierten teure Projekte zur Urbarmachung der Erde.

Trotzdem wurde weiterhin offiziell der Standpunkt vertreten, der Opiumanbau sei für die verarmten Bauern die einzige Möglichkeit zu überleben. Erstmals klar wurde mir die Unaufrichtigkeit dieser Behauptung im September 2006 in Brüssel bei einem Essen mit Habibullah Qaderi, der zu jenem Zeitpunkt Afghanistans Anti-Drogen-Beauftragter war. In einer Rede erklärte er, dass die armen afghanischen Bauern keine andere Wahl hätten, als Mohn anzubauen, und forderte mehr Geld.

Ein hoher europäischer Diplomat hielt dagegen und zeigte ein UN-Dokument, in dem der damalige Trend verzeichnet war: abnehmender Mohnanbau in den ärmsten Gegenden, zunehmender Anbau in den wohlhabenderen Gebieten. Qaderi, konsterniert, wiederholte einfach seine Forderung nach mehr Unterstützung für die verarmten Bauern.

Nach dem Essen jedoch trat er an mich heran und flüsterte mir zu: "Ich weiß, dass Sie Recht haben. Die Armut ist nicht der eigentliche Grund für den Opiumanbau. Jedoch bin ich vom afghanischen Präsidenten instruiert worden, diesen Standpunkt zu vertreten."Im Juli 2007 informierte ich Präsident Karsai über eine neue Strategie. Er interessierte sich dafür, was wir den Bauern als Anreiz bieten wollten. Er wurde aber bald missmutig und abweisend, als ich ihm darlegte, wie diese Anreize einhergehen müssten mit abschreckenden Maßnahmen – darunter die Verhaftung von großen Drogenhändlern und die Vernichtung von Mohnfeldern in den wohlhabenderen Gegenden des Südens, wo Karsai als Paschtune seine Wurzeln und sein Machtzentrum hat.

Des Weiteren versuchten wir, die Öffentlichkeit über die veränderte Dynamik zu informieren. Leider hielten die meisten Nachrichtenorgane an der Vorstellung fest, das Problem sei im ganzen Lande völlig außer Kontrolle, weil nur verzweifelte Bauern Mohn anbauten und jede Einmischung der Behörden die Bauern in die Hände der Taliban treiben würde. Die "hungernden Bauern" waren ein gern benutztes Bild, denn es ermöglichte einigen europäischen Regierungen, sich aus der Anti-Drogen-Kampagne herauszuhalten.

Die merkwürdige Einigkeit von ängstlichen Europäern, kurzsichtigen Medienberichten, korrupten Afghanen, engstirnigen Pentagon-Beamten, den politisch motivierten Demokraten und den Taliban führte zur Verhinderung eines wirksamen Anti-Drogen-Programms. Und uns gelang es nicht, diese Leute umzustimmen.

Zunächst sprach sich der US-Botschafter William Wood per E-Mail für einen flächendeckenden Vernichtungsschlag aus der Luft aus, der 80.000 Hektar Schlafmohn in der Provinz Helmand zerstören und damit das Drogenproblem bei der Wurzel packen sollte. "Ohne den Schlafmohn gibt es nichts zu verkaufen", sagte Wood. Der Plan hörte sich gut an, aber wir wussten, dass es unmöglich sein würde, ihn Karsai und dem Pentagon schmackhaft zu machen. Wood versprach, sich für die militärisch geführte Zerstörung vom Boden aus einzusetzen, mit der Möglichkeit begrenzter Lufteinsätze.

Ein anderer Befürworter eines aggressiveren Vorgehens war David Kilcullen, ein geradliniger Anti-Terror-Experte, den das Drogengeld der Taliban immer mehr beunruhigte. Ihm fiel auf, dass die Afghanen zwar oft ihre Verbündeten wechselten, ein gleichbleibender Faktor aber ihre Achtung vor Stärke und Festigkeit ist. Er empfahl den Einsatz mobiler Gerichte mit der Entscheidungsgewalt, Drogenbarone in ihren Heimatprovinzen zu verurteilen und hinzurichten. (Es wurde mucksmäuschenstill, als er diesen Vorschlag erstmals einer großen Gruppe von Diplomaten unterbreitete.) Zu der Erntevernichtung vom Boden aus sagte er, hierbei müsse "man sich erst in die Felder hinein und dann wieder heraus kämpfen", was die Sache zu einer lebensgefährlichen und ineffizienten Unternehmung mache, die der Korruption weiter Vorschub leiste. Lufteinsätze dagegen seien schnell, fair und effizient. "Wenn wir Stützpunkte der Taliban bombardieren, können wir auch ihre Felder mit einem harmlosen Pflanzengift bestäuben und sie so von ihrer Geldquelle abschneiden."

So schien alles seinen gewünschten Lauf zu nehmen. Wir würden sowohl den Bauern als auch den Politikern genügend Anreiz bieten, den Opiumanbau einzustellen, und gleichzeitig die abschreckenden Maßnahmen ausweiten mit der massiven Vernichtung von Feldern und der Verhaftung korrupter Beamter und großer Drogenhändler. Das Pentagon schien einverstanden zu sein.

Im Mai 2007 legte Anthony Harriman, verantwortlich für Afghanistan beim Nationalen Sicherheitsrat, der sichergehen wollte, dass die neue Strategie auch in die Tat umgesetzt würde, den Vorschlag dem Deputies Committee vor – einer Gruppe von hochrangigen Ratsmitgliedern, angeführt von Lt. General Douglas Lute, den Präsident Bush zu seinem "Kriegszaren" ernannt hatte. In deren Macht stand es, dem Vorschlag grünes Licht zu geben. Harriman bat mich, eine Version auszuarbeiten, die man der Öffentlichkeit vorlegen konnte.

Fast unmittelbar darauf machte das Pentagon eine Kehrtwende. Zunächst hatte man sich geweigert, den Vorschlag dem Deputies Committee vorzulegen. Nachdem das nicht verhindert werden konnte (hauptsächlich weil neu eingesetzte Feldkommandeure wie z.B. General Dan McNeill den Zusammenhang von Drogengeld und aufständischen Elementen sahen und sie bereit waren, sich ihren Vorgesetzten im Pentagon zu widersetzen), versuchte das Pentagon, die Veröffentlichung zu verhindern. Zwei hochrangige Beamte des Pentagons drohten, mir beruflich zu schaden, sollten wir den Vorschlag veröffentlichen. Als wir es dennoch taten, ließ das Pentagon den Inhalt der nicht-öffentlichen, geheimen Version des Vorschlages zu Peter Gilchrist durchsickern, einem in Washington stationierten britischen General. Somit bedienten sich Angehörige des Verteidigungsministeriums einer ausländischen Regierung, um einen amerikanischen Strategie-Entwurf zu sabotieren, und zwar eine Strategie, aus der hervorging, dass das schrittweise Vorgehen des Pentagon versagt hatte und dass das Verteidigungsministerium sich im Kampf gegen den Drogenhandel stärker engagieren musste.

Gilchrist sagte mir, dass Großbritannien und Schweden, die weniger als 500 stationierte Soldaten in einem Teil des Landes haben, wo kein Schlafmohn angebaut wird, den Vorschlag nicht akzeptierten, und schrieb an Karsai, den Vorschlag abzulehnen. Zur selben Zeit drängten Wood und Außenministerin Rice Karsai zu einem verschärften Vorgehen. Karsai antwortete Rice, dass er den Vorschlag ablehne, weil einige Angehörige der US-Regierung gegen ihn seien und auch einige der Verbündeten ihn nicht akzeptierten.

Noch alarmierender war, dass hochrangige Beamte des Pentagon offensichtlich keine Ahnung hatten von der sich verändernden Drogenproblematik und auch von der neuen Strategie nichts wussten. Als ich in einem vertraulichen Gespräch den Staatssekretär für Geheimdienstfragen im Verteidigungsministerium James Clapper über den Zusammenhang zwischen Drogengeld und aufständischen Elementen informierte, sagte er, er habe "nichts davon gewusst". Schlimmer noch war, dass Verteidigungsminister Robert Gates im Dezember 2007 vor dem Kongress aussagte, dass wir keine Strategie zur Drogenbekämpfung in Afghanistan hätten. Die Anti-Drogen-Einheit des Pentagon entschuldigte sich schnell bei mir und informierte Gates darüber, dass wir sehr wohl eine solche Strategie ausgearbeitet hätten.

Unsere Uneinigkeit war Karsai bestimmt sehr recht. Bei einem Treffen aller Gouverneure der 34 afghanischen Provinzen im September 2007 (bei dem ich als "Ehrengast" geladen war) sprach er sich am Anfang seiner Rede gegen Drogen aus, ging dann aber dazu über, gegen die internationale Gemeinschaft zu wettern, die die Ernte seiner Bauern vernichten wolle und sich ihm gegenüber widersprüchlich geäußert habe. Er bekam tosenden Applaus, was nicht verwunderte, da viele der Anwesenden eng mit dem Drogenhandel in Verbindung standen. Natürlich profitierten die Feinde Karsais, die Taliban, vom Drogenhandel, aber eine größere Anzahl seiner Unterstützer tat das ebenfalls.Karsai führte uns an der Nase herum: die USA stecken Milliarden in den Aufbau der Infrastruktur; die USA und ihre Verbündeten bekämpfen die Taliban; Karsais Freunde werden reich durch den Drogenhandel; er kann dem Westen die Schuld an seinen Problemen geben; und im Jahr 2009 wird er wiedergewählt.

Zwischenzeitlich hatte der Präsident Izzatulla Wasifi, einen verurteilten Drogenhändler, als Leiter seiner Anti-Korruptions-Kommission ein. Ihm zur Seite stellte Karsai noch einige korrupte Polizeichefs. Aus diplomatischen Quellen wussten wir, dass sein Bruder Ahmed Wali, dem halb Kandahar unterstand, in den Drogenhandel verstrickt war.

Die afghanische Regierung und das Pentagon mussten schließlich Farbe bekennen, als es um den Einsatz von Schutztruppen ging. Auf internationalen Konferenzen erklärte sich Afghanistan endlich – unter europäischem Druck – bereit, in den ersten Monaten dieses Jahres 50.000 Hektar (mehr als 25 Prozent der Gesamternte) zu vernichten. Hierbei sicherten sie den Einsatz der afghanischen Nationalarmee als Schutztruppe zu.

Der Plan war einfach. Die afghanische Schlafmohn-Vernichtungseinheit sollte mit zwei Bataillonen der Nationalarmee in die Provinz Helmand ziehen und die Felder der wohlhabenderen Bauern vernichten – darunter Felder im Besitz von örtlichen Beamten. Der militärische Schutz der Vernichtungseinheit sollte es auch ermöglichen, einige Drogenbosse zu verhaften. Die US-Armee, die die afghanische Nationalarmee ausgebildet hatte, sollte bei der Truppenbewegung helfen und den Bereich von außen sichern, aber nicht direkt an der Erntevernichtung oder an den Verhaftungen beteiligt sein.

Leider wurde der Plan von Karsai und seinen Freunden im Pentagon wiederum torpediert. Zunächst entließ man Anthony Harriman aus dem Nationalen Sicherheitsrat und setzte einen Oberst auf seinen Posten, der einer alten Pentagon-Tradition verpflichtet war, nämlich der, dass "wir mit Drogen nichts zu tun haben". Als die Ausführung des Plans gefährdet schien und ich mit General Lute und Stephen J. Hadley, dem Berater für Nationale Sicherheit, in Kontakt treten wollte, wurde das von diesem Oberst verhindert. Wir baten mehrere Pentagonbeamte, sich beim afghanischen Verteidigungsminister für den Einsatz einer Schutztruppe stark zu machen, aber getan wurde wenig.

Infolgedessen zog Ende März die Vernichtungseinheit ohne den versprochenen Schutz der Nationalarmee gen Helmand. Sie gerieten praktisch sofort für mehrere Tage unter schweren Beschuss – 107-Millimeter-Raketen, Granatwerfer, Maschinengewehrfeuer und Mörsergeschütz. Drei Mitglieder der Einheit starben, mehrere wurden verletzt. Vernichtet wurden nur etwas mehr als 1000 Hektar – ungefähr ein Prozent der Gesamternte in Helmand –, bevor man sich nach Kabul zurückzog.

Im Frühling trafen weitere US-Truppen in Afghanistan ein. Sie bestanden aus fähigen Männern, aber sie wussten nichts über den Drogenhandel. Als sie im südlichen Afghanistan eintrafen, sagten sie, sie würden den Opiumanbau nicht stören – "nicht unsere Aufgabe." Ungeachtet der Weizenknappheit und drohenden Hungersnot sagten Truppenangehörige in Interviews, dass die Bauern keine andere Wahl hätten, als Mohn anzubauen.

Zur selben Zeit traf die 101. US-Luftlandedivision in Ost-Afghanistan ein. Die Befehlshaber informierten Botschafter Wood sofort, dass sie die Erntevernichtung nur zulassen würden, wenn das Außenministerium den Bauern den Gegenwert ihrer Opium-Ernte auszahlte. Die Zahlung von Entschädigungssummen ist im Kampf gegen Drogen jedoch kontraproduktiv: Zahlt man den Bauern den Gegenwert ihrer Ernte, nehmen sie das Geld, bauen im nächsten Jahr wieder an und lassen sich wieder auszahlen. Und die Bauern, die noch keinen Schlafmohn angebaut hatten, werden umsteigen, um die Entschädigung zu kassieren. Experten nennen diese Art von Angebot einen "perversen Anreiz", der noch nie funktioniert hat. Er funktionierte auch nicht in Ost-Afghanistan. Die Bauern standen Schlange, um ihre Ernte vernichten zu lassen und das Geld zu bekommen.

Am 12. Mai erklärte General Khodaidad bei einer Pressekonferenz in Kabul, die Anti-Opium-Aktion 2008 in Süd-Afghanistan sei gescheitert. Die Erntevernichtung würde sich dieses Jahr auf weniger als ein Drittel der 20.000 Hektar vom letzten Jahr belaufen. Im Norden und Osten – insbesondere in den Provinzen Balkh, Badakhshan und Nangarhar – sei eine Verbesserung der Lage zu verzeichnen, zurückzuführen auf starke politische Einflussnahme und eine bessere Zusammenarbeit von Militär und Zivilisten. Im Machtzentrum der Karsai-Regierung jedoch – Kandahar und Helmand – würden im Vergleich zu den Vorjahren Rekordernten eingefahren, weniger Felder vernichtet und weniger Leute verhaftet werden. Und die Taliban würden stärker werden.

Trotz dieser Entwicklung stellten die Afghanen schnell eine optimistische Einschätzung ihrer Fortschritte für die Pariser Afghanistan-Konferenz zusammen, wo am 12. Juni Staatschefs aus der ganzen Welt, darunter Karsai, zusammenkamen, was an die Londoner Konferenz von 2006 erinnerte. In Paris sammelte die afghanische Regierung mehr als 20 Milliarden Dollar an zusätzlicher Entwicklungshilfe ein. Das Drogenproblem jedoch war ein Ärgernis, das den finanziellen Erfolg gefährden konnte. Also wurde die Drogenproblematik von der offiziellen Tagesordnung gestrichen und eine Woche vor der Konferenz in einer 50-minütigen geschlossenen Diskussionsrunde mit niedrigerer Priorität abgehandelt.

Das ist der aktuelle Stand der Dinge. Die einfache Lösung für das Problem ist und bleibt die im Jahr 2007 ausgearbeitete Strategie. Folgende Schritte sind nötig:

1. Präsident Karsai muss klar gemacht werden, dass er die Unterstützung durch die USA verliert, wenn er weiterhin Drogenbarone und Opiumbauern beschützt. Karsai sollte ein Verordnung herausgeben, die den Schlafmohnanbau ohne Ausnahme untersagt. Er sollte die Bauern anweisen, Weizen anzubauen, und ihnen den aktuellen Weizenpreis garantieren. Gleichzeitig muss Karsai die truppengeschützte Erntevernichtung sowie die Bestäubung aus der Luft in Helmand, Kandahar und überall dort autorisieren, wo illegal Mohn angebaut wird.

2. Das Pentagon muss angewiesen werden, dieses Vorgehen zu unterstützen. Alliierte und afghanische Truppen sollten so eingesetzt werden, dass die afghanische Anti-Drogen-Polizei große Drogenbosse verhaften kann. Truppengeschützte Erntevernichtungsaktionen sollten eingeleitet werden, so dass das von Afghanistan vorgegebene Ziel von 50.000 Hektar erreicht wird.

3. In Kabul müssen mehr D.E.A.-Agenten eingesetzt werden, die den afghanischen Generalstaatsanwalt dabei unterstützen, Drogenhändler und korrupte Beamten ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit (Paschtunen aus dem Süden eingeschlossen) strafrechtlich zu verfolgen.

4. Die neuen Entwicklungsprojekte in den Provinzen, wo kein Schlafmohn mehr angebaut wird, sollten schnell umgesetzt werden. Der Norden muss für seine Bemühungen, den Schlafmohnanbau abzuschaffen, belohnt werden. Allerdings sollte die Belohnung nicht in Form von Bargeld an die Bauern für die Vernichtung ihrer Ernte erfolgen.

5. Die Alliierten können entweder bei der Ausführung des Planes behilflich sein oder sich heraushalten und uns bei unserer Arbeit nicht behindern. Es gibt noch mehr sinnvolle Dinge, die getan werden könnten: eine stärkere Einbeziehung der Nachbarstaaten; mehr Drogenkliniken; Einfuhrstopp von Chemikalien zur Heroinherstellung. Wenn wir – Afghanistan und die USA – nur die oben aufgeführten fünf Punkte umsetzen, machen wir aus einem rechtsfreien Raum einen Rechtsstaat – und drehen den Taliban ihren größten Geldhahn ab.

Übersetzung: Andrian Widmann

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik

TedCheck ( Gast )
Beiträge:

19.08.2008 12:41
#2 RE: Afghanistan - In der Opium-Hölle Zitat · Antworten



man darf gar nicht drüber nachdenken,das sich unsere Soldaten erschiessen und in die Luft jagen lassen müssen,in einem Land dessen Staatspräsident nichts gegen den Drogenanbau unternimmt-eher sogar noch darin verwickelt ist.Nicht nur dieser bericht zeigt doch,das sich überhaubt nichta verändert hat in Afghanistan.Eher noch verschlimmert weil Afghanistan mittlerweile der größte Heroinlieferant der Welt ist.Wie es aussieht wird sich das denken der EU erst ändern,wenn in Europa das erste mal Flugzeuge in hochhäuser gelenkt werden,geflogen von Piloten die mit Drogengeld ausgebildet wurden.

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